Autor:innenleben
Kurzgeschichte „Ein Zwischenstopp“

Kurzgeschichte „Ein Zwischenstopp“

Heute gibt es die letzte Geschichte zu „Write me the creeps“ von Yola Stahl. Ich hatte sehr viel Spaß mit der Aktion, auch wenn ich manchmal echt nachdenken musste, wie ich alle Wörter einbaue. Meine liebste Geschichte ist diese letzte hier – auch wenn der Horror vielleicht erst beginnt, wenn die Geschichte endet. Hier dürft ihr euch selbst was vorstellen.

Heutige Wörter:

Wunderkammer
Fingernägel
Gottesanbeterin
Sturm
Obsidianschwarz

Die Geschichte:

Ich klopfe an das Terrarium, aber die Gottesanbeterin bewegt sich nicht. Starr sitzt sie da und sieht auf die gegenüberliegende Wand, die ihre Welt begrenzt. Erneut hebe ich den Finger, um zu klopfen, halte aber inne und sage, ohne mich umzudrehen: „Und was wollen wir hier?“

Ganz genau kann ich Mikes Lächeln hören, als er mich antwortet: „Es ist doch cool hier! Ich dachte, dass das der perfekte Halt für unseren Roadtrip ist.“

Ich seufze nur. Mikes und meine Ansichten, was ein „cooler“ Ort ist, gehen eindeutig auseinander. Gemeinsam hatten wir diesen Roadtrip beschlossen. Einmal quer durch das Land bevor sich unsere Wege auf dem Collage trennen. Inzwischen waren wir schon eine Woche unterwegs und ich merkte, dass ich mir das alles romantischer vorgestellt hatte. Ich hatte mir Abenteuer gewünscht, aber Stau, kaputte Reifen und Funklöcher bekommen.

Trotzdem hatte ich mich breitschlagen lassen heute hier anzuhalten. Es war ein kleines Museum am Straßenrand. Eine Wunderkammer, die nie gesehenes versprach. Bisher habe ich nichts dergleichen gefunden. Es gibt ein Küken, dem ein zweiter Kopf angenäht wurde, vermeintliche Big Foot Spuren und mehrere Fotos, die Geistererscheinungen zeigen sollten. Insgesamt ist diese Wunderkammer eher düster und verlassen, statt spannend oder interessant. Wenn es nach mir gegangen wäre, wären wir an diesen Ort vorbeigefahren – ganz schnell. Aber vielleicht habe ich auch einfach eine zu blühende Phantasie.

„Schau mal hier, Jamie“, ruft Mike mich und ich reiße mich von der Gottesanbeterin los. Langsam gehe ich zu ihm rüber und übersehe absichtlich die Staubschichten, die sich auf allen Gegenständen zu finden sind.

„Was denn?“ Ich weiß selbst, dass ich quenglig klinge, doch Mike lässt sich nicht stören. „Guck was ich gefunden habe“, sagt er und deutet auf eine Flasche mit … „Sind das Nägel?“, frage ich und verziehe angewidert das Gesicht.

„Ja, Fingernägel. Angeblich wurden die seit der Geburt bis zum Tod gesammelt. Krass, oder?“, fragt Mike und freut sich. Ich schüttelte mich. „Das ist so was von ekelhaft.“

„Und? Wie finden die Herrschaften unser bescheidenes Museum?“, ertönt die kratzende Stimme des Ticketverkäufers, einzigen Mitarbeiters und Leiters des Museums hinter uns. Ich zucke zusammen. Wo konnte der Typ so lautlos ankommen?! Mir ist der nicht geheuer!

Der Verkäufer lächelt uns beinahe zahnlos an und ich stottere: „Alles gut. Wirklich interessant. Aber jetzt wird es Zeit zu gehen. Wir haben noch einen längeren Weg vor uns.“ Ich greife Mikes Ärmel und will ihn weiterziehen, da sagt der Verkäufer: „Oh, das wird aber schwierig. Haben Sie nicht nicht gehört, dass heute ein Sturm kommen soll?“

„Ja, das hatten wir mitbekommen. Aber wir wollten davor schon in einem Motel sein“, sagt Mike und bewegt sich kein Stück. Ich hätte ihn schütteln können. Hatte er nie einen Horrorfilm gesehen?

Unser Gegenüber nickte und erklärte: „Nun, da seid ihr leider zu spät. Der Sturm zieht schon auf.“ Ich schlucke, stürze zur Eingangstür des Museums, reiße sie auf und sehe obsidianschwarze Wolken, Sturzregen und Blitze, die den Himmel zerreißen.

„Scheiße“, fluche ich und Mike, der neben mir getreten ist, nickt. „Und was jetzt?“, fragt er. Ich funkle ihn wütend an. „Das ist alles deine Schuld“ liegt mir auf der Zunge und „Ich will hier nicht bleiben. Das ist mir zu gruselig“, doch ich sage nichts. Ich beobachte nur, wie der Sturm immer stärker wird und der Wind unheilvoll heult.

„Nun“, erklingt erneut die Stimme des Verkäufers, doch nun liegt noch etwas anderes in ihr. Etwas lauerndes. „Es sieht so aus, als würden die Herrschaften heute erstmal nicht weiterkommen. Dürfte ich Ihnen unsere Ausstellung zeigen? Es gibt noch ein paar Räume, die Sie noch nicht gesehen haben.“

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