Allgemein
Märchensommer

Märchensommer

Dies ist eine Station der Märchensommer Märchenrallye von PoiSonPaiNter, den Anfang dieser Runde findet ihr hier.
Ich hoffe, dass du bisher gut durch die Ralley gefunden hast. Nun stärke dich mit einen Trunk deiner Wahl und lausche dir Geschichte dieser Station:

Ein K um dessen Arme Ranken geschlungen sind auf schwarzem Grund und mitgrauen graden Rahmen und darum noch ein weißer eckiger Rahmen.

Bei mir findest du den Lösungsbuchstaben K und es dreht sich alles um das Märchen „Blaubart“.

Blaubart – Ein unbekanntes Märchen?

Ich kenne das Märchen schon länger und mag es eigentlich sehr. Ich weiß gar nicht, wie ich auf Blaubart gestoßen bin, aber mich haben schon immer mehr die unbekannteren Märchen und (ja ich gebe es zu) auch die blutigeren Märchen interessiert. Blaubart vereint nun beides und gibt, meiner Meinung nach, viel Stoff zum Nachdenken. Es steht in Charles Perraults „Histoires ou contes du temps passé, avec des moralités: contes de ma Mère l’Oye“ aus dem Jahr 1697.

Um was geht es?

Eigentlich ist die Story ganz einfach: Ein reicher Mann sucht nach einer hübschen Braut. Er findet zwei Schwestern, die sich gut dafür eigenen. Zuerst wollen sie ihn nicht heiraten, weil sein Bart zu blau ist, aber mit Geld und Festen lassen sie sich umstimmen und die jüngste Schwester heiratet Blaubart. Kurz nach der Hochzeit muss der frischgebackene Ehemann auf eine Geschäftsreise. Er überlässt der jungen Ehefrau Haus und Hof und verbietet ihr nur in ein kleines Zimmer zu gehen. Natürlich siegt die Neugier… und sie entdeckt, dass ihr Ehemann seine anderen Frauen ermordet hat. Ihr droht dasselbe Schicksal. Nur mit Glück kann sie gerettet und Blaubart getötet werden.

(Die ganze Geschichte lässt sich übrigens hier nachlesen.)

Und die Moral der Geschicht‘?

Blaubart ist ein Moralmärchen und die Moral liegt auf der Hand: neugierigen Frauen winkt der Tod. Perrault beendet das Märchen deshalb mit dem Vers:

    Moral   
Die Neugier, trotz all ihrer Reize,   
kostet oft reichlich Reue;   
Jeden Tag sieht man tausend Beispiele dafür geschehen.
Das ist, wenn es den Frauen auch gefällt, ein ziemlich flüchtiges Vergnügen,
sobald man ihm nachgibt, schwindet es schon,
und immer kostet es zu viel.

(Zitiert nach: Charles Perrault: Der Blaubart. IN: Hartwig Suhrbier (Hrsg.): Blaubarts Geheimnis: Märchen u. Erzählungen, Gedichte u. Stücke. Diederichs, Köln 1984, S. 83–89)

Was bedeuten diese Moralvorstellung?

Gesellschaftlich wird ganz klar gefordert: Eine Frau muss eine gehorsame Ehefrau sein. Neugierde wird zu einem typisch weiblichen Attribut und dieses führt in das Verderben. Sieht man sich weitere Geschichten an, so sind nicht nur fast immer die Frauen neugierig, nein, diese Neugierde wird zu etwas Negativen (z. B. „Die gar traurige Geschichte mit dem Feuerzeug“ im Struwwelpeter von Heinrich Hoffmann). Hier wird ein Weltbild kreiert, in welchen Frauen dem Mann „Untertanin“ sind und nur zu gehorchen haben. Sie sollen ihre Pflichten tun – die typischen drei K: Kinder, Küche, Kirche. Aber Wissen zu erwerben und sich selbst weiterzubilden, wird verteufelt.

Diese Auffassung herrschte in Europa lange vor und es gibt noch genug Weltteile, in welchen es weiterhin eine gängige Ansicht ist. Mit Geschichten, wie Blaubart wurde früh dieses Bild gefördert und gefestigt.

Übrigens: Nach der heutigen Forschung ist jedoch die Bildung von Frauen und Mädchen besonders wichtig. Die Vereinigung UN Women hat in einer Studie festgestellt, dass nichts so sehr den Klimawandel aufhalten kann, wie die Bildung von Mädchen und Frauen. Gebildete Frauen bekommen später Kinder und verhüten mehr. Sie wissen, was sie wollen und können selbst für ihr Glück entscheiden. Damit können sie nicht nur wichtige Rollen in der Gesellschaft übernehmen, sondern auch das große Problem der Überbevölkerung wäre gebannt.

Eine weitere Notiz am Rande:

Das Märchen Blaubart gilt in der Literaturwissenschaft als eine jüngere Fassung von Drachen-Mythen: Der Drache fordert eine Jungfrau und tötet sie, wenn er nicht von einem Ritter getötet wird. Blaubart ist also hier der Drache und die Brüder werden zu Rittern.

Die wahre Blaubart und die Adaptionen

Als historisches Vorbild für Blaubart gilt Gilles de Rais, Marschall von Frankreich und Mitkämpfer der Jeanne d’Arc. Er verlor im Krieg sein Geld und hoffte darauf, seinen Reichtum mit Hilfe der Alchemie zurückzugewinnen. Er gab enorme Summen für Geisterbeschwörer aus, die den Teufel für seine Ziele einspannen sollten. Auf der anderen Seite versuchte er, das Böse durch großzügige Wohltätigkeit und prachtvolle Gottesdienste abzuwenden. Aus Untersuchungsprotokollen geht hervor, dass seine Diener Kinder, vor allem Jungen, entführten, die Rais in seinen Schlössern folterte und tötete. Er war jedoch jahrelang unantastbar, weil er an Jeanne d’Arcs Seite kämpfte. Erst 1440 wurde er gefangen genommen und verurteilt. Aus den ermordeten Kindern wurden in der Geschichte von Blaubart die ermordeten Ehefrauen.

Die Geschichte von Blaubart gelangte in einer von Perrault abweichenden Version auch in die 1. Auflage von Grimms Kinder- und Hausmärchen (1812). In den späteren Auflagen ist sie nicht mehr enthalten. Es gibt jedoch sehr, sehr viele Blaubart Adaptionen. Beispielsweise von Ludwig Tieck, Cornelia Funke oder der Koreanerin Seong-Na Ha. In den Adaptionen verändert sich manchmal das Ende oder ob die Frauen wirklich ermordet wurden, aber das Grundmotiv der Neugierde bleibt oftmals bestehen.

Meine Gedanken:

Warum mag ich dieses Märchen eigentlich so? Diese Frage stellt sich mir oft, denn finde ich den Ansatz und die moralische Vorstellung, wie sich Frauen zu verhalten haben, ganz schrecklich. Aber vielleicht ist es das Makabere, was mich fesselt. Ich finde den Gedanken, dass jemand in einem ihr oder ihm unbekannten Haus viele Leichen findet, faszinierend gruselig.

Für eine Adaption würde ich mir jedoch wünschen, dass mehr darauf eingegangen wird, warum Blaubart die Frauen umgebracht hat. War es wirklich nur, weil sie in die Kammer geschaut haben? Neugierde als Tötungsgrund ist für mich heute zu schwach. Auch fände ich es interessant, wenn die Protagonistin sich nach und nach emanzipiert. Sie könnte zu einer eigenständigen Persönlichkeit werden, die sich von den Normen abhebt.

Mein Vorschlag für eine Adaption wäre deshalb, dass man Blaubarts Geschichte in das 19. Jahrhundert versetzt. Blaubart könnte hier zu einem Wissenschaftler werden, der mit Strom – wie es üblich war – und Leichen experimentiert, weil er „die“ perfekte Frau (perfekt in den Ansprüchen der damaligen Zeit) erschaffen will. Für seine Kreation braucht er immer neue Körper und hier kommen die Ehefrauen ins Spiel. Er heiratet sie, weil er von ihnen ein Stück weit fasziniert ist und tötet sie dann, um diese Faszination in seine Forschungen einzubauen und zu konservieren. Die Protagonistin wäre, in meiner Vorstellung, Kind ihrer Zeit und muss erst lernen, sich gegen die Ansichten, wie eine Frau zu sein hat, zu wehren. Sie lernt sich selbst zu vertrauen, auf ihren eigenen Beinen zu stehen und zu erkennen, dass Wissen Macht sein kann.

Meine Blaubart Version hätte also ein bisschen was von Frankenstein mit der Emanzipation des weiblichen Charakters und dem Eintauchen in eine Grenzwelt zwischen Magie und Wissenschaft. So könnte viel aus einer Geschichte mit heute (und auch damals) veralteten Moralvorstellungen gemacht werden.

Was wäre deine Blaubart Adaption?

Und nun zur Frage: Kannst du sie erraten?

Woran erkennt Blaubart, dass seine Frau das verbotene Zimmer geöffnet hat?
a)    Seine Frau redet im Schlaf – Elenor Avelle
b)    Auf dem Schlüssel ist ein Blutfleck – Anne Zandt
c)    Die Tür zum Zimmer steht noch offen. – Anathea Westen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert