
Write me the Creeps 2025
Auch in diesem Jahr habe ich bei der Aktion „Write me the Creeps“ auf Instagram mitgemacht. Hier findet ihr meine fünf kurzen Geschichten.
„Write me the Creeps“ ist eine Aktion, die im Oktober stattfindet. Dort gibt es immer drei Wörter, aus denen eine Geschichte oder eine Zeichnung entstehen kann. Letztes Jahr hatte ich sehr lange Kurzgeschichten geschrieben, aber dafür hatte ich leider dieses Jahr keine Zeit. Aus diesem Grund gibt es Geschichten, die um 300 bis 500 Wörter lang sind. Falls ihr auf Instagram eine Geschichte verpasst habt, findet ihr sie hier.
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
Geschichte 1: Am falschen Ort

Wörter: Ruine, Laterne, Kreuzsprinne
Der Wind pfeift durch das zerbrochene Fenster der Ruine, lässt das Kerzenlicht in der Laterne flackern. Ich erschaudere und reibe mir über den linken Arm. Mein Blick gleitet durch den Flur. Zerbrochene Spiegel, mottenzerfressene Vorhänge und geschwärzte Bilder kann ich sehen. Kurz bereue ich, dass ich hier bin, dann straffe ich mich und schleiche weiter den Gang entlang. Etwas streift meinen Kopf. Rasch versuche ich es abzuschütteln, aber es ist nur eine Spinnwebe. Eine ziemlich große jedoch. »Das ist bei so einem alten Gemäuer auch kein Wunder.« Mit diesem Gedanken versuche ich mich zu beruhigen. Der Weg vor mir macht eine scharfe Biegung und mein Licht lässt die Schatten tanzen, doch einer von ihnen scheint auf mich zu zukommen. Ich sehe ein langes Bein, dann noch eins. Zu viele Beine. Ein braun gesprenkelter Körper dessen Muster an ein Kreuz erinnert schiebt sich um die Ecke. Ein Gesicht mit vielen Augen blickt mich an, Mandibel klackern. Ich schlucke. Die Kreuzspinne kommt auf mich zu.
Geschichte 2: Lasst es beginnen

Wörter: Kathedrale, Amulett, Kutsche
Mit einem Ruck bleibt die Kutsche stehen. Lord Hampshire steigt aus und rutscht seine Melone zurecht. Kurz blickt er sich um, aber der Platz vor der Kathedrale ist leer. Alles genau, wie geplant. Zufrieden gibt der Lord seinem Kutscher zu verstehen, dass dieser nun nach Hause fahren kann. Kurz zögert der Fahrer, dann unter dem vernichtenden Blick von Hampshire verabschiedet er sich. Die Kutsche wird vom Nebel verschluckt.
Seine Lordschaft verzieht kurz den Mund, denn er weiß: Es spielt keine Rolle, ob die Kutsche gewartet hätte oder nicht – er wird er sie nicht mehr brauchen. Er wird bald gar nichts mehr brauchen, denn endlich ist es so weit.
Mit diesem aufbauenden Gedanken setzt er sich in Bewegung und geht die Treppe hinauf. Vor dem Eintreten wirft er sich einen Mantel um und setzt die Kapuze und die weiße, starre Maske auf. Quietschend öffnet sich die Eingangstür der Kirche. Kerzenlicht empfängt ihn. Unzählige ebenso maskierte Gestalten sehen ihm entgegen. Lord Hampshires Herz beginnt schneller zu schlagen als er durch die Reihen auf den Altar zu geht. Dort warten schon die Priester. Hampshire zieht das Amulett heraus.
Er ist bereit. Er wird ihn empfangen und ihn die Welt zu Füßen legen.
»Lasst das Chaos beginnen«, flüstert der Lord und in seinen Augen beginnt das kommende Feuer aufzublitzen.
Geschichte 3: Ob das eine gute Idee ist?

Wörter: Keller, Lampe, Kompass
»Sicher, dass wir den richtigen Weg entlang gehen?«, flüsterte mir David zu. Ich warf einen Blick auf den Kompass. Er zeigte weiterhin gerade aus. »Ich denke schon«, murmelte ich unsicher, ob ich den Kompass richtig las. Schließlich war es kein normales Gerät, das immer nach Norden zeigte. Nein, dieser Kompass deutete in die Richtung, dessen, was der Besitzer gerade am meisten begehrte.
Und was ich wohl am meisten wünschte, befand sich in einem Keller. Besser gesagt in dem des Mehrfamilienhauses, in dem ich wohnte. Ich wusste nicht genau, warum es gerade dort sein sollte, aber ich war mir sicher, dass der Kompass sich nicht irrte.
»Ich hoffe, dass das richtig ist«, murmelte David und sah sich nervös um. »Mir behagt das Ganze nicht…«
Diesem Gedanken konnte ich ihm nicht ganz verdenken. Schließlich gingen wir inzwischen nicht mehr durch einen Gang mit Kellerabteilen. Nein, inzwischen waren wir in etwas, was einem Wurzelgang ähnelte. Es roch auch feucht und modrig.
Ich schluckte. Nervosität ergriff mich, beinahe sogar Angst. Dieses Gefühl genoss ich. Wie lange war es her, dass ich so was gefühlt hatte? Und genau das suchte ich. Für meinen Livestream und meine Sponsoren würde ich diesem Kompass bis zum Ende der Welt folgen. Die Zuschauendenzahlen sprachen außerdem für sich – zumindest die, die ich bisher mitbekommen hatte. Die Kommentare im Chat überschlugen sich. Es lief also alles so, wie ich es mir vorgestellt hatte.
»Es wird schon nichts passieren«, versuchte ich David gerade zu beruhigen, als wir vor uns ein Schnaufen und Stampfen hörten. Es klang schwer. Es klang nach vielen.
»Was ist das?«, fragte David.
»Keine Ahnung! Aber jetzt wird es spannend!«, konnte ich noch flüstern, bevor das Licht unserer Lampe wackelte. Einmal. Zweimal. Dann erlosch es. Alles wurde finster.
»Batterie leer«, sagte ich noch, dann kamen die Geräusche näher. Immer auf uns zu. Sie erreichten uns.
Geschichte 4: Halloweenritual

Wörter: Villa, Kessel, Friedhofsmauer
Priscilla sieht sich das letzte Mal in der Villa um, prüft nach, ob sie alles hat, dann nimmt sie ihre Tasche und geht zur Hintertür durch die Küche. Diese verschließt sie und steckt den Schlüssel in die Hosentasche. Danach macht sie sich auf den Weg.
Gut eigentlich ist es eher ein Trampelpfad als ein richtiger Weg. Matsch klebt an ihren Boots und der Nebel greift mit kleinen Händen nach ihren Parker, zieht daran und versucht sie zu verschlingen.
Priscilla sieht in den Nachthimmel und ist froh, dass es sich endlich aufgeklärt hat. »Es wäre zu ärgerlich, wenn es regnen würde – und das nicht nur, weil heute Halloween ist«, murmelte sie und schluckt nervös. In ihrem Brauch beginnt es zu kribbeln. Es fühlt sich an, wie viele kleine Spinnen, die unter ihrer Haut laufen würden. Spinnenbeine an ihrer Bauchdecke.
»Es wird alles gut werden. Ich habe genug dafür geübt«, sagt sich Priscilla als Mantra immer wieder selbst, doch ihre Gedanken kreisen wieder und wieder zu dem bevorstehenden Ereignis. Sie kann gar nicht glauben, dass sie dabei sein darf. Es fühlt sich immer noch so an, als würde sie träumen. Trotzdem ist es real und nach dieser Nacht – so hatte es ihr die Älteste erzählt – würde ein neuer Lebensabschnitt für sie beginnen.
Inzwischen ist Priscilla an der Friedhofsmauer angekommen und sucht nach der Lücke, welche sie zum Glück schnell findet. Sie zwängt sich hindurch und wandert durch die Gräberreihen. Hier ist es noch dunkler als auf dem Weg davor und ihr Handylicht erhellt die Umgebung nur mäßig.
Die Aufregung steigt noch mehr und in sie vermischt sich eine Prise Angst. Kurz fragt sich Priscilla, ob sie nicht lieber umkehren sollte. Ist sie vielleicht dafür noch nicht bereit?
Dann sieht das Licht von Feuerschein. Sie tritt näher. Die Anderen grüßen sie, machen Platz im Kreis, in dessen Mitte ein großer Kessel steht. In ihm brodelt es.
Die Älteste lächelt Priscilla an und hebt die Arme.
Nun gibt es keine Umkehr – egal, wie groß Aufregung und Angst sind.
Das Halloweenritual beginnt.
Geschichte 5: Auf der Flucht

Wörter: Kanalisation, Kette, Rabe
Klatsch. Tropf. Klatsch. Tropf.
Diese Geräusche begleiteten jeden meiner Schritte. Ich war durchnässt und das, obwohl ich versuchte, nicht in das Wasser zu treten. Deshalb hielt ich mich an der Wand zu meiner Linken – aber nicht zu sehr, denn auch diese war feucht und mit einer Art glibbrigen Schicht bedeckt.
»Wo bin ich hier nur gelandet?«, fragte ich mich und konnte mir gleich eine Antwort geben: »Natürlich in der Kanalisation. Einen anderen Ausweg gab es nun mal nicht.«
Wut staute sich erneut in mir auf und presste mir beinahe die Luft aus den Lungen. Mein Blickfeld verengt sich.
Wie konnten sie nur? Wie konnten sie mich nur verraten?!«
Immer und wieder sah ich es vor mir: John, Sam und ich. Um uns die Polizisten. Und der wissende und beinahe entschuldigende Blick meiner Komplizen.
In diesem Moment hatte ich es gewusst: Die beiden hatten mich ans Messer geliefert. Für ihre eigene Freiheit. Und was mein größter Coup gewesen sein sollte, wurde zu einer haarscharfen Flucht in eben besagte Kanalisation.
Ich blieb kurz stehen und atmete tief durch, versuchte mich zu sammeln. »Es bringt nichts, wenn ich mich jetzt aufrege. Eins nach dem anderen. Erst raus hier und dann werden die schon sehen, was sie davon haben werden!«
Mit dieser getroffenen Entscheidung ging ich weiter durch den Tunnel – und zwar für eine schier unendliche Zeit. Irgendwann bog ich um eine Ecke und erkannte einen Lichtschein. Ich zog die Augenbrauen zusammen. Was war das? Eine Lagerstatt eines Obdachlosen? Naja, mir konnte ich es nur recht sein.
Je näher ich dem Licht kam, desto mehr konnte ich erkennen. Der Tunnel endet in einer Art Metalltor, dessen Gitter zu einer Art verschlungene Raben geformt war. Ich rüttelte daran. Eine Kette klapperte. Dann stieß ich die Tür auf und ging weiter, ohne diese zu verschließen.
Der Lichtschein wurde stärker, der Raum öffnete sich. Ich erstarrte.
Das konnte nicht sein. Was war das hier?
Etwas sah mich an. Mit Federn. Mit Schnäbeln. Das Krätzen eines Rabens, das den Boden erzittern ließ – und ich fragte mich, ob ich überhaupt die Chance für eine Rache bekommen würde.