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Kurzgeschichte: „Halloweenüberraschung“

Kurzgeschichte: „Halloweenüberraschung“

Auf Instagram mache ich bei der Aktion „Write me the creeps“ von Yola Stahl mit. Dafür gibt es jede Woche fünf Wörter (Ort, Objekt, Tier, Wetter, Farbe) und ich schreibe dafür eine Geschichte. Hier könnt ihr sie vollständig lesen.

Heutige Wörter:

Bibliothek
Maske
Skorpion
Nebelwand
Kürbisorange

Die Geschichte:

Eigentlich liebe ich alte Bibliotheken. Ich mag die hohen Bücherregal und der Geruch nach Staub, Verfall und längst vergessenen Erinnerungen. Heute jedoch fühle ich mich unwohl, während ich Sarah durch die Stadt folge. Der Himmel über uns wird immer dunkler und nach und nach gehen die Straßenlaternen an. Es ist kurz vor Halloween und vor vielen Eingängen kann ich geschnitzte Kürbisse leuchten sehen. Tagsüber strahlen sie kürbisorange, aber in der Nacht sind nur ihre Grimassen zu sehen.

Ich schlucke und wage Sarah zu fragen: „Und du meinst, dass das eine gute Idee ist?“

Sarah sieht mich schief von der Seite an und sagt nur: „Na klar. Steve und Michelle waren schon in dem Gebäude und haben sich richtig gegruselt. Außerdem wolltest du eine Halloweenerfahrung haben!“

Ja, richtig. Eigentlich ist es meine Schuld, dass wir jetzt durch die Stadt hasten. Hatte ich nicht vor ein paar Tagen in der Unikantine noch gemeckert, dass Sarah und ich so langweilig wären? Jedes Jahr würden wir Halloween mit einem Filmabend feiern. Ich hatte mir etwas Besonderes gewünscht. Jetzt bereue ich es. Trotzdem möchte ich dir die Blöße nicht geben und einen Rückzieher machen.

Also gehen wir weiter durch die Straßen, bis wir auf den kleinen Waldweg kommt, der uns zum verfallenen Herrenhaus im Wald bringen wird. Seit Jahrhunderten gehörte das Haus einer Adelsfamilie, doch ihr letzter Sprössling verstarb vor über 80 Jahren und seitdem hatte das Haus keinen neuen Besitzer gefunden. Deshalb steht es nun leer und verfällt.

„Und ist ein bekannter lost Place geworden“, rufe ich mir in Erinnerung. Bei dem Gedanken an die verfallenen Gebäude schaudert es  mich und es ist nicht hilfreich, dass Nebel aufzieht.

Im Wald ist es dunkel und nur unsere Handylampen helfen uns, dass wir nicht über jeden Stein stolpern.

„Noch haben wir die Möglichkeit zurückzugehen“, murmele ich, als Sarah plötzlich stehen blieb. Ich öffne den Mund und will gerade fragen, was los ist, doch meine Freundin schüttelt den Kopf. Sie scheint angestrengt zu hören, dann packt sie meinen Arm und zieht mich ins Gebüsch. Bevor ich mich beschweren kannst, höre ich es auch. Erstarre. Schritte. Mehrere.

Wir löschen unsere Handylichter und kurz darauf sehen wir das gelbe Licht von Kerzen nach den Nebelschwaden greifen. Ich halte die Luft an und sehe, wie nach und nach Gestalten näherkommen. Sie sind verhüllt, in Kutten gekleidet und tragen alle Masken. Diese sind, bis auf einen gemalten Skorpion auf der Stirn, weiß.

Wie bei einer Prozession gehen die Kuttengestalten an uns vorbei. Ich ergreife Sarahs Hand. Auch sie zittert.

„Sie sind auf dem Weg zum Herrenhaus“, wird mir klar, während sie sich nach und nach entfernen. Lange warten Sarah und ich bis wir uns schließlich aus dem Gebüsch trauen. Wir sehen uns an und ich sage schließlich: „Sollen wir doch lieber einen Film zu Hause ansehen?“

Sarah nickt, dann weiten sich ihre Augen vor Überraschung weiten. Sie öffnet den Mund. Angst spiegelt sich in ihren Augen wider, aber bevor ich mich umdrehen kann, spüre ich es schon. Eine Hand legt sich auf meine Schulter. In mein Blickfeld treten mehrere Gestalten in Kutten. Ich blicke auf die Maske und weiß: Heute Abend werde ich keinen Film mehr sehen.

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