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Kurzgeschichte „Nur ein Spiel“

Kurzgeschichte „Nur ein Spiel“

Heute ist meine Geschichte für „Write me the creeps“ von Yola Stahl irgendwie ein bisschen länger geworden als die letzten. Ich hoffe aber, dass sie euch gefällt! Ich würde ja nicht nachts in ein Labyrinth gehen, und ihr?

Heutige Wörter:

Labyrinth
Kerze
Kröte
Vollmond
Leichenblass

Die Geschichte

Eigentlich sollte es nur ein Spiel sein. Marie hatte an uns alle Eintrittskarten verschickt. So richtige per Post und nicht einfach eine Discord-Nachricht. Anfangs war ich noch skeptisch gewesen – schließlich war der letzte Corona-Lockdown gerade erst beendet wurden und eigentlich war es noch nicht angemessen unter Menschen zu gehen. Aber Michael, Lucas und Clara hatten mich schließlich überzeugt, dass ich mir zu viele Gedanken mache. „Wir machen einfach alle einen Test und wenn der negativ ist, dann gibt es doch kein Problem, oder? Durch die Pandemie sind wir ja bisher auch gut gekommen“, hatten sie gesagt. Sie redeten so lange auf mich ein, dass ich am Ende nachgab.

Marie hatte für uns auf ihren Schloss – ja, Marie hat ein Schloss, fragt da besser nicht nach – eingeladen. Sie wollte ein Gruselwochenende im Stil von Dracula und co. veranstalten. Mit Verkleiden, passendem Essen, schaurigen Ambienten und so weiter und sofort. Natürlich sollte alles für Maries Youtube-Kanal gefilmt werden, um neue Follower zu generieren – aber das war mir bewusst gewesen. Marie machte nichts, was nicht ihrem Kanal oder ihrem Image half. Aus reiner Freundschaft lud sie uns also nicht ein.

Wie dem auch sei: Die erste Nacht war so weit in Ordnung und auch der nächste Tag verlor sich schnell. Am Abend hatte Maria ein Geisterspiel geplant. Im Labyrinth in ihrem Garten sollten wir ihr folgen. Maria selbst hatte sich als weiße Frau verkleidet und sprang durch die verwundenen Gänge.

„Und deshalb sind wir hier“, seufzte ich und schielte zu Lucas, der unsere Kerze in der Hand hielt. Sie spendete kaum Licht – aber genau das war von Marie beabsichtigt gewesen. Es war nur unser Glück, dass der heutige Vollmond die Wege ein bisschen beleuchtete.

„Meinst du, wir finden sie bald?“, fragte ich Lucas, der mir weiterhin nicht antwortete. Schon während uns vor dem Eingang des Labyrinths aufgeteilt hatten, war sein Gesicht leichenblass geworden. Ich konnte mir denken, dass er mehr Angst hatte, als er je zu geben wollte – das würde schließlich seinem Image als lockerer Sunnyboy schaden. Trotzdem ärgerte es mich, dass er mich wiederhin ignorierte. „Hallo, Lucas! Hörst du mich?“ Mein Ton wurde grober.

Lucas zuckte zusammen und lächelte verlegen. „Tut mir leid“, sagte er, „Ich war in Gedanken.“

„Das habe ich gemerkt“, grummelte ich und fragte erneut nach, ob er glaubte, dass wir Marie bald finden würden.

Lucas zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, aber langsam habe ich keine Lust mehr. Es ist mir zu kalt und nass“, antwortete er und ich nickte bestätigend und stampfte weiter. Innerlich verfluchte ich Marie und ihre Ideen. Sie hatte sicher einen riesigen Spaß – wir aber nicht. Plötzlich vermeinte ich an einer Heckenecke ein weißes Stück Stoff zu sehen. Ich schnappte mir Lucas Jackenärmel und zog ihn, meine Entdeckung berichtend, weiter. Wir begannen zu rennen, hofften, dass wir Marie bald finden und damit das Spiel beenden würden.

Nach zwei Ecken kamen wir auf eine freie Fläche. „Wahrscheinlich die Mitte des Labyrinths“, dachte ich und holte tief Luft. Mein Herz klopfte nach dem Sprint schnell und nur langsam nahm ich meine Umgebung wahr. Eine Art von blutdurchtränkten Puppen langen auf dem Boden. Sie sahen Clara und Michael zum Verwechseln ähnlich… Bedächtig ließ ich meinen Blick weitergleiten, blieb an Marie und ihrem weißen Kleid hängen. Roter Spritzer waren auf ihm. Marie grinste breit. Ihre Hand lag an einer grünen, warzigen Haut. Eine riesige Kröte, die uns ansah und falls Kröten so blicken konnten, dann war ihr Blick kalt und hungrig.

Mein Denken setzte aus. Hätte Lucas nehmen mir nicht auf gekeucht, dann hätte ich starr gewartet, bis die Kröte bei mir angekommen wäre. So aber schüttelte ich mich, ließ Lucas stehen und rannte zurück in das Labyrinth. Hinter mir hörte ich Marie lachen und die Kröte quaken. Lucas schrie.

„Was ist das für ein Scheiß? Und… Finde ich den Ausweg?“, fragte ich mich noch, während ich in der Dunkelheit weiter stolperte.

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