Autor:innenleben
»Dieser Schrei, der nun deiner ist« – eine Entstehungsgeschichte

»Dieser Schrei, der nun deiner ist« – eine Entstehungsgeschichte

Woher hat die schreibende Person ihre Idee für den Text? Das ist eine Frage, die wir oft in Interviews lesen bzw. hören und ich greife ihr vor. Heute gibt es einen Beitrag, in dem ich euch erzähle, wie »Dieser Schrei, der nun deiner ist« entstand und warum und weshalb wir in Sachsen-Anhalt sind. Der Beitrag entsteht aus meiner kleine Veröffentlichungsreihe zu meiner Gothicnovelle »Dieser Schrei, der nun deiner ist «.

Content Notes für diesen Beitrag: Ermordung, Blut

Jetzt sitze ich im Hochsommer vor meinem Laptop und versuche mich zurückzuerinnern, woher meine Idee zu »Dieser Schrei, der nun deiner ist« kam. Das ist gar nicht so leicht, denn die Rohfassung des Novelle habe ich im NaNo 2022 geschrieben und ich glaube, dass sich die Idee im Jahr zuvor entwickelt hat. Das ist jetzt zwischen zwei bis drei Jahre her und irgendwie ist so viel inzwischen passiert, dass ich vielleicht gar nicht alles zusammen bekomme – und ehrlich gesagt: habe ich mich auch weiterentwickelt und damit auch die Idee und der Text. Aber lasst uns mal ins Jahr 2022 zurückspringen und schauen, an was sich mein Gedächtnis noch erinnern will.

Am Anfang war der Märchensommer

Natürlich könnten wir jetzt ganz früh anfangen: Also mit meiner Lust am Grusel oder meinem Interesse an »Frankenstein« (Interesse ist übrigens untertrieben, ich liebe das Buch sehr) oder meiner ersten Lektüre von Blaubart, aber das lassen wir mal. Wir fangen 2022 an und da steht der Märchensommer. Der Märchensommer ist eine Initiative der Autorin Anne Zandt und dort wird sich mit Blogbeiträgen oder Leserunden mit Märchen beschäftigt. Ich habe mein Interesse bekundet auch einen Beitrag zu schreiben und durfte frei wählen.

Jetzt dürft ihr raten, was habe ich wohl gewählt: Ja, ich habe über »Blaubart« als Märchen geschrieben. Hier begannen meine intensive Auseinandersetzung und damit auch der Beginn der Idee. Diese entwickelte sich schnell zu einer Schauernovelle und von dort kam fast zeitlich das kleine Frankenstein-Motiv, was ich eingebaut habe. Dann habe ich die Geschichte geschrieben und mich gefreut so mein NaNo-Ziel zu schaffen. Hier könnte alles zu Ende sein, denn wer mich kennt, der weiß, dass ich Probleme mit der Verlagssuche habe. Bei meiner Besprechung mit meiner Verlegerin Melanie Schneider vom Weltenruderverlag (der damals übrigens noch in den Babyschuhen steckte) pitchte ich diese Idee und Melanie sagte: »Ja, das verlege ich.«

Tja, und deshalb könnt ihr es hier lesen. Beides hat sich zusammengefügt und ich glaube ohne Verlag hätte es noch viel länger gedauert bis diese Geschichte mal das Licht der Welt erblickt. Das war der schnellste und einfachste Pitch, den ich je hatte.

Aber lasst uns ein bisschen mehr in die Idee reinschauen, denn sonst wäre das ja ein sehr kurzer Beitrag.

Warum jetzt genau »Blaubart«?

Um diese Frage zu beantworten, will ich euch erst etwas über das Märchen erzählen – keine Sorge es wird hoffentlich kein Vortrag. Die ausführliche Form des Beitrags könnt ihr hier  lesen.

Veröffentlicht wurde »Blaubart« im Jahr 1697 in Charles Perraults »Histoires ou contes du temps passé, avec des moralités: contes de ma Mère l’Oye«. Es ist also ein französisches Märchen, welches es in verschiedener Form gibt. Ich beziehe mich mal auf die Version, die ich verarbeitet habe: Dort heiratet eine von zwei Schwestern einen reichen Mann, der als ungeheuerlich gezeichnet wird, weil er einen blauen Bart hat. Blaubart verlässt kurz nach der Heirat das Anwesen und von Neugier getrieben öffnet die junge Frau eine Tür, die ihr eigentlich verschlossen war. Dort – und hier kommt der unheimliche Wandel – sieht sie die Leichen der anderen Ehefrauen, die Blaubart ermordet hat. Jetzt droht hier dasselbe Schicksal…

Moralisch wird in der Geschichte klar, nach der gehorsamen Ehefrau gefordert, die sich nicht neugierig in die Angelegenheiten des Ehemannes einmischen soll.

So also der Inhalt und das Thema und ich muss sagen: Es hat mich sofort angesprochen. Ich mochte den blutigen Einschlag und schnell war klar, dass ich die Moral der Geschichte umdrehen möchte. Wer braucht schon gehorsame Ehefrauen?

Mit diesem Ansatz wuchs die Geschichte und eigentlich sollte »Frankenstein« eine größere Rolle einnehmen, aber es hat sich leise an manchen Stellen eingeschlichen, aber nicht so gut, wie es eine Adaption des Werkes es verdient hätte. Eigentlich befriedet es nur meine Bodyhorror-Gelüste… Aber das gibt mir die Möglichkeit eine andere »Frankenstein«-Adaption zu schreiben, dies ist eine Geschichte für eine ferne Zukunft.

Sachsen-Anhalt. Damit hatte ich auch nicht gerechnet.

Am Anfang habe ich mir noch keine Gedanken gemacht, wo die Geschichte spielt und nach der Suche eines Ortes bin ich in Gedanken Schlösser in Deutschland durchgegangen. Das Setting Deutschland stand für mich schnell fest, denn ich habe das Gefühl, dass viele moderne Gothicgeschichten (auch deutschsprachige) eher im Ausland spielen. Bei solchen Beobachten setzt mein Interesse ein und ich möchte genau das Gegenteil machen. Deshalb hatte ich mir Deutschland als Ort auserkoren – nun ging es an die Bestimmung des konkreten Ortes.

Hier spielen wieder meine persönlichen Beobachtungen hinein, denn es kommt mir so vor, dass Geschichten in der Fantastik an bestimmten Knotenpunkten spielen. Einer davon wäre Berlin. Der ländliche Bereich ist meiner Meinung nach unterrepräsentiert. Für eine Gothicathmosphäre eignet sich eine ländliche Gegend und so entstand die Idee in diese Richtung zu schauen.

Im nächsten Schritt habe ich mir überlegt, welche Ecken in Deutschland ich gut kenne und wo es ein passendes Anwesen bzw. Schloss gibt. Daraus ergab sich dann Plötzkau. Der Ort ist ca. zehn km von der Heimatstadt meiner Mutter entfernt und ich war jeden Sommer bei meinen Großeltern in der Gegend. Ich kenne mich also einigermaßen aus und mir gefiel die Idee, dass Sachsen-Anhalt mal repräsentiert wird. Das passiert nicht so oft und das Bundesland wird auch oftmals mit Sachsen verwechselt – und ja, zwischen beiden besteht ein Unterschied.

Ich selbst war mit zwölf oder so in Plötzkau auf dem Schloss gewesen. Damals gab es noch ein Restaurant und eine Art Eventlocation dort und in meiner Unwissenheit hatte ich es mir auch romantisch düster vorgestellt, dort lesen zu können. Das wird zwar nichts, denn inzwischen gibt es weder Restaurant noch Location, aber trotzdem war es bei dem Ort geblieben und ich mag es sehr.

Anmerkung zur geschichtlichen Korrektheit

Lange habe ich auch überlegt, ob ich alles geschichtlich korrekt angebe, aber da gibt es in den Aufzeichnungen zum Schloss in Plötzkau größere Lücken. Auch meine Nachfragen bei historischen Vereinen und dem Denkmalschutz hat mich nicht ganz befriedigt. Deshalb habe ich meine Geschichte in ein Jahrzehnt mit nicht ganz so vielen Aufzeichnungen gesetzt, um ein bisschen Gestaltungspielraum zu haben. Das will ich offen dazu sagen, aber da wir eine Märchenadaption haben, finde ich es auch okay, wenn wir hier auch ein bisschen freier sind.

Von einer Novelle zur Novellenausschreibung

Während meiner Arbeit an »Dieser Schrei, der nun deiner ist « fiel mir auf, wie sehr ich das Konzept von Schauergeschichten oder Horrorgeschichten in Deutschland von marginalisierten Stimmen mag. Hier sehe ich noch große Lücken im Buchmarkt und deshalb habe ich dem Weltenruderverlag meine Idee von meiner Schauer/Gothicreihe vorgeschlagen.

Sehr froh kann ich sagen, dass das auf fruchtbaren Boden gefallen ist und wir deshalb eine Dauerausschreibung zu diesem Thema haben. Ziel ist es jedes Jahr eine Novelle oder einen Kurzroman im Bereich Gothic bzw. Horror herauszugeben. In der Geschichte sollte es entweder um marginalisierte Figuren gehen oder es sollt von marginalisierten Autor*innen geschrieben worden sein. Betreut wird die Ausschreibung von mir. Das Lektorat kommt vom Verlag und ich freue mich so sehr, dass es funktioniert. Ich bin gespannt auf die weiteren Einsendungen und sehe großes Potenzial in der Idee.

Den ganzen Ausschreibungstext mit Erklärung findet ihr hier.

Damit kann ich meine anekdotische Erzählung für heute beenden. Am Ende seht ihr, dass alles eine Mischung aus Zufall und Lust an der Idee entstanden ist. Natürlich ist meine Blaubart-Adaption nicht die einzige, aber ich hoffe, dass es eine ist, die den Lesenden gefällt und vielleicht einen neuen Aspekt in das Märchen hereinbringt.


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