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Gothicnovelle »Dieser Schrei, der nun deiner ist « und Zwangshandlungen – ein Zusammenhang

Gothicnovelle »Dieser Schrei, der nun deiner ist « und Zwangshandlungen – ein Zusammenhang

Wiederholtes Händewaschen. Zwanghafte Gedanken. Zwangserkrankungen sind vielleicht verbreiteter als wir annehmen. Auch in »Dieser Schrei, der nun deiner ist « leidet die Hauptfigur Rosamund unter Zwangshandlungen. In diesem Beitrag will ich euch etwas über diese psychischen Erkrankungen erzählen. Der Beitrag entsteht in der kleinen Veröffentlichungsreihe zu meiner Gothicnovelle »Dieser Schrei, der nun deiner ist «.

»Dieses Ritual würde ihr Kraft geben – so sagte sie es sich. Mit Wasser konnte sie alles wegwaschen: Den Druck, die Enttäuschung, das Gefühl der Beklommenheit.«

Dies ist ein Zitat aus »Dieser Schrei, der nun deiner ist«, in welchen Rosamunds Zwangshandlung – hier Händewaschen – beschrieben wird. Ich habe mich ganz bewusst entschieden, Zwangshandlungen in die Geschichte einzubauen und ich will euch heute ein bisschen erzählen, was Zwangshandlungen sind und wie und warum sie in »Dieser Schrei, der nun deiner ist« vorkommen.

Zwangserkrankung: Zwangsgedanken

Zwangserkrankungen gehören zu den psychischen Erkrankungen und wie ihr vielleicht bemerkt, benutze ich mit Absicht nicht das Wort »Störung«, denn das finde ich zu negativ. Diese Art der psychischen Erkrankung teilt sich in zwei verschiedene Arten: die Zwangshandlung und die Zwangsgedanken. Schauen wir uns beides nach und nach an.

Bei den erwähnten Zwangsgedanken handelt es sich um immer wieder zwanghaft aufdrängende Gedanken. Das Wichtige ist dabei das Zwanghafte. Die betroffene Person kann sich also nicht gegen diese Gedanken wehren und denkt sie teilweise auch nicht bewusst. Wir können diese Gedanken mit Gedankenkreisen und das Fixieren auf einen bestimmten Gedanken vergleichen – nur, dass dies immer und immer wieder passiert und nicht nur phasenweise. Einteilen lassen sich diese Zwangsgedanken dabei in:

  • Zwangsideen bzw. -befürchtungen, wie beispielsweise die Angst etwas nicht richtig gemacht zu haben.
  • Aggressive Zwangsgedanken, wie beispielsweise die Angst jemanden zu verletzen
  • Grübelzwang, wenn bestimmte Themen immer wieder durchdacht werden müssen
  • Zweifel
  • Zählzwang
  • Wiederholungen von bestimmten Gedanken
  • Erledigungszwänge

Zwangsgedanken hängen dabei – wie auch Zwangshandlungen – oftmals mit Ängsten und Befürchtungen zusammen. Die betroffenen Personen haben diese Gedanken oftmals aufgrund von Ängsten und am Ende führen die Gedanken zu Abwehrreaktionen (beispielsweise wird eine bestimmte Handlung nicht ausgeführt).

Zwangserkrankung: Zwangshandlungen

Neben den Zwangsgedanken gibt es die Zwangshandlungen. Dies sind Handlungen, die gegen den Willen der betroffenen Person ausgeführt werden und wenn es nicht zu dieser Handlung kommt, dann erlebt die Person einen innerlichen Druck oder Angst. Wichtig ist gerade dieser letzte Punkt, denn nicht immer muss eine Zwangshandlung (ähnliches auch für Zwangsgedanken) negativ sein. Manchmal dienen sie auch als Ritual, aber sobald die betroffene Person darunter leidet, dann sollte an eine Therapie gedacht werden.

Auch bei Zwangshandlungen gibt es verschiedene Arten und hier ein paar bekannte:

  • Reinlichkeitszwang, wie beispielsweise das dauernde Händewaschen
  • Kontrollzwang, wie ständiges Überprüfen von Türschlössern oder Herdplatten
  • Ordnungszwang, hier werden Gegenstände beispielsweise in eine Symmetrie gerückt
  • Berührungszwang, bei welchen die betroffene Person Gegenstände oder Personen zwanghaft anfasst
  • Verbale Zwänge, wie das Wiederholen von Sätzen oder Melodien

Diagnose, Behandlung und Gründe

Zwangserkrankungen können von Therapeut*innen mit verschiedenen Verfahren diagnostiziert werden und es gibt auch bestimmte Behandlungszentren, die sich auf diese Art von psychische Erkrankung spezialisiert haben.

Oftmals treten Zwangserkrankungen zusammen mit anderen psychischen Erkrankungen, wie Depressionen (80 % der betroffenen Personen mit Zwangserkrankungen haben auch Depressionen), sozialer Phobie oder einer zwanghaften Persönlichkeit auf.

Behandelt können Zwangserkrankungen mit verschiedenen therapeutischen Verfahren. Dazu gehört beispielsweise auch eine Konfrontationstherapie, bei welcher die betroffenen Personen sich ihren Zwängen stellen müssen. Beim Waschzwang wäre es beispielsweise so, dass die betroffene Person etwas anfassen muss, was für sie dreckig ist und dann nach und nach den Druck aushalten muss, sich nicht waschen zu können. Die Zeit, wie lange sich nicht gewaschen werden darf, wird dabei immer weiter verlängert, bis die Person lernt, dass nichts Negatives geschieht, wenn sie sich nicht wäscht. Dazu verstärkend kommt die körperliche Reaktion, denn der menschliche Körper kann nicht unbegrenzt angespannt sein und irgendwann lässt diese Anspannung nach, der Körper entspannt sich und das verstärkt die positive Erfahrung, dass der Zwang keine negativen Auswirkungen hat.

Es gibt verschiedene Ansätze, die Zwangserkrankungen erklären. Dazu gehört beispielsweise ein verhaltenstherapeutischer Ansatz, bei welchem mit der klassischen Konditionierung (denkt hier an die Hunde von Pawlow) und operanten Konditionieren argumentiert wird. Durch negative Erfahrungen auf einen Reiz, erfolgte die Zwangserkrankung, die ein positives Ergebnis brachte, weshalb sich dies einprägte. Ein Beispiel wäre beim Waschzwang zu finden. Hier kann es durch negative Erfahrung wegen Verschmutzung zu einer Vermeidungshandlung – z. B. Händewaschen – kommen, welche eine positive Bestärkung auslöste.

Neben diesen Ansatz wird auch mit Freund erklärt, um Zwangserkrankungen zu verstehen – aber von Freud reden wir nicht. Biologisch wird argumentiert, dass Zwangserkrankungen vererbbar sein können. Zumindest gibt es Studien, die diesen Schluss zulassen, aber bei solchen Erklärungsmodellen bin ich immer ziemlich vorsichtig.

Spannend für mich sind die neurologischen Ansätze, weil hier durch das Fehlen von gewissen Hormonen, wie Serotonin oder Dopamin, die Zwangserkrankung erklärt wird und das streift das Feld der Neurodivergenz.

Zwangserkrankung und Neurodivergenz

Für mich hängen beide Bereiche zusammen, denn teilweise passen die Beschreibungen von Zwangserkrankungen auf Stimming, welches neurodivergente (aber auch neurotypische) Menschen ausführen. Dazu gehört beispielsweise das Wiederholen von Handlungen und Wörter. Dies wird oft unbewusst gemacht, um Stress zu reduzieren. Hier finde ich, dass das sehr an Zwangserkrankungen erinnert – der Unterschied ist, dass die betroffene Person hier meistens nicht unter der Handlung leidet, sondern diese ihr etwas Positives gibt.

Ich kann es wissenschaftlich untermauern, dass Zwangserkrankungen und Neurodivergenz zusammenhängen und habe euch nur meine Beobachtungen beschrieben. Bei mir selbst war es so, dass ich zuerst wegen Zwangshandlungen (wenn ihr ehrlich bin, dann gibt es bei mir auch Zwangsgedanken, aber das ist eine andere Geschichte) in Behandlung war. Durch mein anderes Verhalten bei meinen Zwangshandlungen hatte meine Therapeutin die Idee, dass vielleicht eine Neurodivergenz bei mir vorliegen könnte. Das ist kein typischer Verlauf, aber hat mich sensibel für einen möglichen Zusammenhang gemacht.

Warum aber jetzt darüber schreiben?

Ich habe euch jetzt viel über Zwangshandlungen erzählt und ihr könnt fragen: Und was nun? Wie schon das Zitat zeigt, hat meine Hauptfigur in »Dieser Schrei, der nun deiner ist « eine Zwangshandlung und vielleicht auch Zwangsgedanken – hier überlasse ich euch einer Analyse. Rosamund wäscht sich die Hände, sobald eine Situation für sie überfordernd ist.

Mit Absicht habe ich Zwangshandlung eingebaut, denn ich wollte damit zum einen Rosamunds unsicheren Charakter hervorheben und auch die Charakterentwicklung anhand der Zwangshandlung zeigen. Weiter wollte ich über Zwangserkrankung schreiben. Mir fiel beim Konzipieren von Rosamunds Charakter kein anderes Buch im Fantastik Bereich – belehrt mich gerne besseres – ein, dass Zwangserkrankungen zum Thema haben. Ich finde es aber ein wichtiges Thema, denn ich denke, dass viel mehr Menschen von Zwangserkrankungen betroffen sind, als wir annehmen. Das ist vielleicht so, weil die Zwangserkrankung von der betroffenen Person nicht bemerkt wird. Für diese ist die Handlung oder der Gedanke völlig normal und auch der dazu gehörige Leidensdruck.

Weil ich nun selbst betroffen von Zwangserkrankungen bin, wollte ich das Thema unbedingt einbringen – ohne es zum Kernpunkt der Handlung zu machen. Ich wollte die Möglichkeit zur Identifikation schaffen und hoffe, dass es irgendwie geklappt hat. Es mag keine perfekte Repräsentation sein – wo gibt es die schon? – aber sie ist mein Versuch sich diesen Themenbereich zu nähern.

Ich hoffe, dass meine Lesenden sich hier wiederfinden oder eine neue Sichtweise finden können und freue mich, wenn es Tipps zu weiteren Büchern mit Zwangserkrankungen gibt!

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